Es ist wichtig zu wissen, dass Stress auch bei Hunden eine Rolle spielt. Ein gewisses Maß an Stress ist normal und kann sogar positiv sein, motivierend und aufmerksam machen. Anhaltender Stress wirkt sich jedoch negativ auf das Wohlbefinden aus und führt häufig zu Verhaltensproblemen.


Beitrag: Nancy Appelt - aktualisiert 2022

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Stress unterscheiden:

  • Eustress ist positiver Stress, der uns motiviert, eine Aufgabe besonders gut zu erfüllen und uns Freude und Euphorie bereitet. Im Zusammenleben mit Hunden können wir diese Art von Stress erleben, wenn wir mit unserem Hund eine gemeinsame Aktivität ausüben, die beiden Spaß macht.
  • Distress hingegen entsteht, wenn unser Hund in Konflikt mit seiner Umwelt gerät und sich unwohl in seiner Haut fühlt. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein unerwarteter Reiz von außen Unsicherheit auslöst oder der Hund mit einer aktuellen Situation überfordert ist.


Durch das Zusammenleben mit uns Menschen muss sich der Hund immer wieder auf unterschiedliche Situationen einstellen, die im Ursprung nicht artgerecht sind. Dies führt oft zu negativem Stress.


Was ist Stress? 

Stress ist eine unwillkürliche Reaktion des Körpers, die durch bestimmte innere oder äußere Reize ausgelöst wird. Er dient dazu, uns in vermeintlich bedrohlichen Situationen zu schützen und handlungsfähig zu machen. 

Wir Menschen sind oft in der Lage, bewusst auf Stresssituationen zu reagieren und uns schnell wieder zu entspannen. 

Hunde können ihre Gefühle nur bedingt beeinflussen. 

Deshalb ist es wichtig, dass du als Hundehalter die Anzeichen von Stress bei deinem Vierbeiner erkennst und richtig darauf reagierst.


Stress erkennen:

Hunde haben vier genetisch verankerte Strategien, um mit Stress umzugehen. Ziel ist es, wieder in den Normalzustand zurückzufinden und sich zu entspannen. In der Fachsprache spricht man von den vier F's.


flirt

Übersprungshandlungen


Hier werden dem Hund viele Verhaltensmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Es können Handlungen aus allen Funktionskreisen des Hundes sein. Besonders deutlich ist zu erkennen, dass die Intensität des Verhaltens auffällig über- oder untertrieben ist. 

Beispiele hierfür sind: Unruhe und Nervosität, Gähnen,
plötzliches Schnüffeln, Kratzen, Spielaufforderungen, Zittern, demonstratives Wegschauen, in die Leine beißen und Aufreiten.

freeze

Erstarren


Vielleicht hast du schon einmal beobachtet, wie Hunde in verschiedenen Situationen erstarren. Das bedeutet, dass der Hund in der Position verharrt, in der er sich gerade befindet. Er bewegt sich weder  vorwärts noch rückwärts.

Es ist wichtig, den Hund als Ganzes zu betrachten. Wenn nämlich Imponiergesten vorhanden sind, kann das Erstarren auch einen Angriff ankündigen. 


fight

Kampf/Angriff


Ein Angriff kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Auf der einen Seite kann der Hund ein defensives Verhalten zeigen. Das heißt, er greift an, um sich zu verteidigen, ist aber nicht motiviert zu kämpfen. Oft ist ein solcher Hund unsicher oder sogar ängstlich in seinem Verhalten. Nach hinten gerichtet.

Die andere Art des Angriffs zeigt sich in einem offensiven Verhalten. In diesem Fall ist der Hund von seiner Stärke überzeugt und greift mit entsprechender Körpersprache an. Vorwärts gerichtet.

flight

Fliehen


Wenn ein Hund die Möglichkeit zur Flucht hat, ist dies grundsätzlich eine sehr gesunde Stressreaktion. 

Auf diese Weise braucht er keine unnötige Energie in einen Angriff zu investieren und kann sich der Situation entziehen. 

Die Flucht ist ein Schutz des Organismus vor unnötigen Verletzungen, die der Hund sonst im Kampf riskieren würde. Merkmale: Rückzug und Vermeidungsverhalten 



Warum ist es wichtig die "Vier F's" zu kennen?


  • Werden Übersprungshandlungen, Flucht oder ein Erstarren des Hundes nicht richtig erkannt, reagieren viele Hunde nach einiger Zeit mit Angriffstendenzen. Ein Beispiel hierfür ist die Leinenaggression, bei der der Hund aufgrund von Stress und Überforderung aggressives Verhalten zeigt. Die Kenntnis der "Vier Fs" hilft, das Verhalten des Hundes besser einzuschätzen und ihm bei Bedarf rechtzeitig Unterstützung und Entlastung zu geben.


  • Es ist von großer Bedeutung zu verstehen, dass Lernen unter Stress NICHT möglich ist! Der Hund ist ausschließlich damit beschäftigt seinen Körper wieder in den sogenannten Normalzustand zu bringen. Ein Training unter diesen Bedingungen würde im Gehirn des Hundes als negativ abgespeichert werden und ein zukünftiges Training in diesem Kontext deutlich erschweren.


  • Stress ist übertragbar! Stichwort Stimmungsübertragung. Auch dieses von der Natur geschickt angelegte Phänomen können wir bei allen in Gruppen lebenden Individuen beobachten. Du bist mit deinem Hund auf dem Trainingsplatz und bereitest dich auf eine Prüfung vor. Alles klappt perfekt und du bist mit eurer Leistung zufrieden. Am nächsten Tag ist Prüfung. Schon beim Aufstehen verspürst du ein mulmiges Gefühl, Unsicherheit und Angst machen sich breit. Auf dem Übungsplatz angekommen, willst du noch einen Probelauf starten und schon dabei geht nichts mehr. Dein Hund läuft wild umher und scheint alle gelernten Signale vergessen zu haben. Woran liegt das? Monatelang hast du Freude und Spaß beim Training ausgestrahlt und nun spürt dein Hund Angst und Nervosität. Er nimmt deinen Stress und die damit verbundene Anspannung optisch und olfaktorisch wahr. So ist es auch für ihn einfach nicht möglich, jetzt fröhlich neben dir her zu laufen.


  • Je öfter ein Hund in Stresssituationen gerät, desto mehr wird sein Organismus belastet und kann nicht mehr in den Normalzustand zurückkehren. Cortisol ist ein Stresshormon, das nur sehr langsam abgebaut wird. Das bedeutet, dass die Anspannung noch lange nach der auslösenden Situation in unserem Körper bleibt. Folgen mehrere solcher Situationen aufeinander, ist der Körper ständig in Alarmbereitschaft. Die Konzentration und die Nerven liegen daher blank, und es dauert länger, bis der Hund wieder zu seiner Grundruhe zurückfindet. Dies belastet das Immunsystem enorm. Krankheiten, eine schlechte Lebensqualität und unangenehme Verhaltensänderungen sind die Folge.


Was du tun kannst, um den Stress bei dir und deinem Hund zu vermeiden:


1. Beobachten und Erkennen Um Stress entgegenzuwirken ist es wichtig zu wissen, wann dein Hund Anzeichen von Stress zeigt und welche Strategien er wählt, um wieder in einen entspannten Zustand zu kommen. Ebenso wichtig ist es, bei dir selbst zu beobachten, welche Situationen dich nervös machen, denn unsere Hunde reagieren sehr sensibel auf unsere Gefühle. Stimmungsübertragung.


2. Achte auf ausreichend Bewegung Wenn es die Situation erlaubt, sich zu bewegen, sollte diese Möglichkeit unbedingt genutzt werden. Denn Bewegung baut Stress ab. Ein kurzes höheres Tempo, wie z.B. Joggen, wirkt Wunder und der Körper kann sich danach leichter entspannen.


3. Vergrößere bewusst den Abstand Wenn du bereits weißt, dass dein Hund auf bestimmte Reize mit Stress reagiert, ist es wichtig, die Grenze zwischen Normalzustand und ersten Stressanzeichen zu finden. Arbeitet euch in langsamen Schritten an diese Situationen heran.

Wenn z.B. Hundebegegnungen Stress auslösen, kann man durch Abbiegen, Ausweichen oder Umdrehen der Situation vorerst entgegenwirken. Hier nach dem Prinzip "Augen zu und durch" zu verfahren, würde die Beziehung erheblich belasten.


4. Sorge für gutes Wohlbefinden Ausreichend Bewegung, Ruhe und Schlaf sowie eine gesunde Ernährung sorgen für Entspannung. Lob und Belohnung können deinem Hund helfen, positive Erfahrungen zu machen und sein Selbstvertrauen zu stärken.


5. Sei freundlich zu dir und deinem Hund Ehrgeiz und falscher Perfektionismus bringen nicht nur dich in eine stressige Situation, sondern übertragen sich auch sofort auf deinen Hund. Das Sprichwort: "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen." passt hier sehr gut.


6. Freue dich über eure Erfolge Komischerweise erinnern wir uns alle immer wieder an die vielen kleinen Ärgernisse, obwohl sie meist nur ein paar Minuten oder sogar Sekunden unseres Tages ausmachen. Konzentriere dich auf die Dinge, die dir und deinem Hund gut gelungen sind und schreibe sie auf. Du wirst erstaunt sein, wie viel an einem vermeintlich blöden Tag gut gelaufen ist.


7. Plane deinen Tag Routinen im Alltag entspannen nicht nur dich, sondern auch deinen Hund, denn wenn du ständig versuchst, alles auf einmal zu machen, kann das gar nicht funktionieren. So könnte es einen Spaziergang für Bewegung, Spiel und Spaß und einen anderen für das Lernen geben. Oder du gehst mit deinem Hund nach draußen, setzt dich zu ihm ins Gras und ihr genießt die gemeinsame Zeit mit Nichtstun. Konzentriere dich bewusst auf eine Sache.


Fazit:

Stress bei Hunden ist ein wichtiges Thema, mit dem sich jeder Hundebesitzer auseinandersetzen sollte. Wenn du die Anzeichen von Stress bei deinem Hund erkennst und richtig darauf reagierst, kannst du deinem Hund helfen, gesund und glücklich zu bleiben.


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