Im Tierreich und auch bei uns Menschen ist Aggression ein soziales Regulativ und ermöglicht die Definition von Handlungsspielräumen und die Herstellung sozialer Ordnung.


Beitrag: N. Appelt - aktualisiert 2022

Es ist wichtig zu betonen, dass aggressives Verhalten in erster Linie der Schadensvermeidung dient und nicht dazu, absichtlich Schaden zuzufügen. Es hat also nichts mit Bosheit oder Feindseligkeit zu tun.


Wie entsteht Aggression

Aggression entsteht durch Konflikte. Das heißt, wenn bestimmte Ziele oder auch Bedürfnisse nicht übereinstimmen, kommt es zu einer Auseinandersetzung. (Aggressionsverhalten)

Ursachen, die zu Konflikten führen können:

  • Ressourcen (Nahrung, Spielzeug, Sozialpartner Mensch)
  • Unterschreitung der individuellen Distanz
  • Angst / Unsicherheit
  • fehlende Struktur und Regeln "Dominanz"
  • Unter- und Überforderung (Stress)
  • Stimmungsübertragung
  • Schmerzen / Verletzungen

Grundsätzlich müssen wir Aggressionsverhalten in zwei Formen unterscheiden: natürliches, konstruktives Aggressionsverhalten, das der Erreichung von Zielen dient, und unangemessenes, destruktives Aggressionsverhalten, das nicht zielführend ist und oft auf erlerntem Verhalten beruht.


natürliches Aggressionsverhalten - konstruktiv

Hunde nutzen ihr natürliches Aggressionsverhalten, um Konflikte auf gesunde Weise zu lösen. Sie bringen genetisch die Voraussetzung mit, in abgestufter Form zu signalisieren, dass sie sich in einer Situation unwohl fühlen und Distanz brauchen.

Dazu gehört zum Beispiel das Knurren. Reicht das Knurren als Warnung nicht aus, wird die nächste Stufe aktiviert, z.B. ein Scheinangriff. 

Je nach Reaktion des "Gegners" werden weitere Eskalationsstufen "aktiviert" oder wieder "deaktiviert". Der "Gegner" hat durch diese Abstufung jederzeit die Möglichkeit zu entscheiden, ob er sich zurückzieht oder sich der Gefahr einer körperlichen Auseinandersetzung (Kampf) aussetzt.  


Möchten wir zum Beispiel unsere Ruhe haben oder jemandem zu erkennen geben, dass etwas uns gehört, so teilen wir dies deutlich und direkt mit. Hunde sprechen aber bekanntlich nicht unsere Sprache und so agieren sie auf hündisch. 

Will ein Hund seinem Gegenüber den gleichen Sachverhalt mitteilen, so dient ein klarer Blick als Warnung - gefolgt von einem Knurren. Jeder Hund würde diese Form der Kommunikation verstehen und den knurrenden Hund in Ruhe lassen. Das signalisiert einen gesunden und respektvollen Umgang.

Natürliches Aggressionsverhalten dient also grundsätzlich der Kommunikation existentieller Bedürfnisse. Nur so kann eine soziale Gemeinschaft funktionieren.


Würden wir nun einem Hund das Knurren abgewöhnen, wäre dies fatal, denn er müsste in der Intensität seines Aggressionsverhaltens direkt eine Stufe höher gehen. Ein entsprechendes Handeln für das Gegenüber wäre auf Grund der fehlenden Signale nicht möglich und so verlassen wir schleichend den Bereich des natürlichen Aggressionsverhaltens. 


unangemessenes Aggressionsverhalten - destruktiv

Dabei greifen die Tiere z.B. Menschen oder Artgenossen ohne erkennbaren Grund an oder zeigen in bestimmten Situationen ein übertrieben aggressives Verhalten.

Dies führt in der Regel dazu, dass sich Hundehalter mit ihren Hunden aus der Öffentlichkeit zurückziehen und versuchen, diese zu vermeiden. 


Achtung: Das folgende Beispiel bezieht sich auf einen Hund, der aufgrund von Unsicherheit und mangelnder Individualdistanz reagiert. Es gibt immer mehrere Gründe für aggressives Verhalten und es ist sehr wichtig, dass bei diesem Thema keine Verallgemeinerungen gemacht werden!


Beispiel: Der Hund will seine Ruhe haben. Das Spielen und Toben mit Kindern oder auch Artgenossen ist ihm einfach zu wild. Der Hund hat eine nach hinten gerichtete Körpersprache und fängt an zu knurren. Er möchte mehr Abstand. (konstruktiv)

Ignorieren wir dieses Verhalten oder fangen wir vielleicht sogar an, mit dem Hund zu schimpfen, wenn er knurrt, machen wir einen großen Fehler und fördern unbewusst das destruktive Aggressionsverhalten des Hundes! 

Der Hund fühlt sich missverstanden und reagiert immer heftiger. Schließlich übernimmt er selbst die Führung. Das anfängliche Knurren aus Angst oder Unsicherheit wird zum aktiven Vertreiben durch Bellen oder gar Schnappen und hat mit dem ursprünglichen Verhalten bald nichts mehr zu tun.

Der Halter bemerkt die Verhaltenssteigerung und wird zunehmend unsicher oder aus Verzweiflung sogar wütend. Stimmungsübertragung. Der Hund nimmt dies deutlich wahr und fühlt sich in seinem Verhalten noch mehr bestätigt. Das Verhalten des Hundes verselbständigt sich. (destruktiv) Ein Teufelskreis, in den wir uns aus Unwissenheit selbst hineinmanövriert haben.


Es ist wichtig zu verstehen, dass dieses Verhalten nicht plötzlich auftritt. Es handelt sich vielmehr um einen Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum entwickelt. Irgendwann ist die Handlung selbst nicht mehr durch die ursprüngliche Angst oder Unsicherheit motiviert, sondern zur Gewohnheit geworden und wir sprechen von unangemessenem aggressivem Verhalten.


  Da diese Form der Aggression weder für den Hund noch für den Menschen gesund ist, muss hier dringend Abhilfe geschaffen werden! Außerdem bist du als Hundehalter verpflichtet, deinen Hund sicher zu führen, so dass andere Menschen und Tiere nicht gefährdet werden.

Aggressives Verhalten bei Hunden ist ein komplexes Thema und hängt von vielen Faktoren ab. 

Wenn du dir nicht sicher bist, ob das Verhalten deines Hundes konstruktiv oder destruktiv ist, solltest du einen professionellen Hundetrainer hinzuziehen, um eine korrekte Einschätzung zu erhalten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.


Was kannst du tun, wenn sich dein Hund aggressiv verhält?


1. Lerne die ersten Anzeichen zu erkennen, die zu Aggression führen können: Unsicherheit, Stress, Körpersprache wie z.B. nach hinten gelegte Ohren, eingezogene Rute, aber auch Steifheit und eine nach vorn gerichtete Körpersprache. Wenn du lernst, diese Signale und die dahinter stehenden Bedürfnisse zu erkennen, dann muss es gar nicht erst zu einem Knurren oder zu einem Zähnefletschen kommen. Du wirst in der Lage sein, je nach Situation angemessen zu reagieren und deinem Hund durch Regeln und Struktur Sicherheit zu geben!


2. Nimm das dahinter stehende Bedürfnis deines Hundes nicht nur wahr, sondern auch ernst! Versuche die Situation zu entschärfen, indem du den Abstand zum auslösenden Reiz vergrößerst. Bezogen auf unser Beispiel: Es ist wichtig zu verhindern, dass Kinder oder auch Artgenossen dem Hund weiterhin zu nahe kommen. Zum einen, um dem Hund Sicherheit zu geben und Vertrauen zu dir als Halter aufzubauen und natürlich auch, um zu verhindern, dass dein Hund in seinem Ausdruck noch deutlicher werden muss und dadurch möglicherweise andere verletzt. 


3. Vermeide potenziell stressige Situationen: Wenn dein Hund aggressiv auf andere Hunde oder Menschen reagiert, vermeide Orte oder Situationen, die ihn dazu provozieren könnten. Du könntest zum Beispiel Spaziergänge in weniger belebten Gegenden machen oder bestimmte Zeiten zum Gassigehen wählen, in denen weniger Menschen und Hunde unterwegs sind. (Dies ist kein Training, sondern nur eine vernünftige Maßnahme, um deinen Hund und andere zu schützen und das Verhalten nicht zu fördern.) Hol dir professionelle Hilfe!


4. Bewahre Ruhe: Aggressionen können oft durch Nervosität und Unsicherheit ausgelöst und verstärkt werden. (Stimmungsübertragung)


5. Nimm professionelle Hilfe in Anspruch: Ein Hundetrainer kann dir und deinem Hund helfen, die Situation zu meistern. Er kann dich anleiten und dir zeigen, wie du dein Training so gestalten kannst, dass alle Beteiligten glücklich und sicher sind.


6. Tierärztliche Untersuchung: Lass deinen Hund von einem Tierarzt untersuchen, um mögliche gesundheitliche Probleme als Auslöser auszuschließen oder zu erkennen.


Zusammenfassung: Es gibt immer mehrere Gründe für aggressives Verhalten und es ist sehr wichtig, dass bei diesem Thema keine Verallgemeinerungen gemacht werden!

Aggression dient in erster Linie dazu, Schaden zu vermeiden und nicht dazu, absichtlich Schaden zuzufügen. 

Der Hund ist ein Tier und kann sich nur durch Körpersprache ausdrücken. Es ist daher NICHT ratsam, einem Hund das Knurren zu verbieten, da es ein wichtiger Teil seiner Kommunikation und seines Ausdrucksverhaltens ist. 

Wenn einem Hund das Knurren verboten wird, kann er direkt zu einer höheren Eskalationsstufe übergehen, was zu unerwünschtem Verhalten wie Schnappen oder Beißen führen kann. 

Unsicherheit, Stress, Körpersprache wie z.B. nach hinten gelegte Ohren, eingezogene Rute, aber auch Steifheit und eine nach vorn gerichtete Körpersprache... Es ist so unglaublich wichtig, dass wir lernen, diese Signale zu erkennen und die Bedürfnisse dahinter zu verstehen. Du wirst in der Lage sein, je nach Situation angemessen zu reagieren und deinem Hund durch Regeln und Struktur Sicherheit zu geben! Auf diese Art und Weise kannst du dem Hund helfen, sich sicher und wohl zu fühlen, ohne dass es zu gefährlichen Konflikten kommt.

Nimm professionelle Hilfe in Anspruch: Ein Hundetrainer kann dir und deinem Hund helfen, die Situation zu meistern. Er kann dich anleiten und dir zeigen, wie du dein Training so gestalten kannst, dass alle Beteiligten glücklich und sicher sind.



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