Was verändert sich im Körper des Hundes und welche Auswirkungen hat dies auf das Zusammenleben zwischen Mensch und Hund?


Beitrag: N. Appelt - aktualisiert 2022

Die Pubertät wird von vielen Hundehaltern gefürchtet und als "Sturm -und Drangzeit" bezeichnet. Der Hund wird alles Gelernte vergessen, Grenzen austesten und sich möglicherweise aggressiv verhalten. Ist das alles wirklich so schlimm und vor allem, wann muss ich damit rechnen? Am besten, wir betrachten die Pubertät einmal ganz sachlich und machen uns ein eigenes Bild!


Die Pubertät bei Hunden

Die Pubertät ist ein weiterer wichtiger Lernprozess, den sowohl Menschen als auch unsere Hunde auf dem Weg zum Erwachsenwerden durchlaufen müssen. Bei Hunden wird die Entwicklung in verschiedene Phasen unterteilt. Die Zeiträume hängen von der Rasse, der Größe und den aktuellen Lebensumständen des Hundes ab und sind daher immer individuell.

Die im Folgenden verwendeten Zeiträume sind Durchschnittswerte, die eine grobe Orientierung geben.


Die juvenile Phase (erste Pubertät)


Der Beginn des Zahnwechsels kündigt normalerweise den langsamen Übergang in die erste Phase der Pubertät an. Je nach Rasse und Größe beginnt dieser Prozess etwa ab dem 4. Lebensmonat

Der Welpe wird zum Junghund. 

Das Aussehen des Welpen verändert sich jetzt rasend schnell. Die Beine sind viel zu lang und auch Kopf und Körper scheinen noch nicht richtig zusammenzupassen. Die tapsigen Bewegungen des Welpen werden durch sichere Bewegungen ersetzt. Der junge Hund wird zunehmend mutiger und ist voller Tatendrang. 

Der Radius, in dem er sich einst bewegte, wird nun deutlich größer und seine rassetypischen Eigenschaften kommen zum Vorschein. 

Diese Verhaltensänderungen sind das Ergebnis der laufenden "Umbauarbeiten" im Gehirn des Hundes, die für das Erwachsenwerden notwendig sind. Das Gehirn sortiert nun aus, welche der erlernten Fähigkeiten wann und wo eingesetzt werden können, um den größtmöglichen Erfolg damit zu erzielen. Nicht zu unterschätzen ist an dieser Stelle, dass diese Handlungen überwiegend selbstbelohnend sind und durch einen veränderten Hormonhaushalt zusätzlich angekurbelt werden.

Genau wie wir Menschen ist der Junghund in dieser Zeit sehr mit sich selbst beschäftigt. 

Wenn du deinen Vierbeiner in der vergangenen Welpenzeit gut auf seine Umwelt vorbereitet hast, ist jetzt die Gelegenheit, das Gelernte zu festigen und eure Beziehung zueinander zu stärken.

Wenn es Defizite in der Sozialisation oder Gewöhnung gegeben hat, kann es sein, dass diese nun mit einer deutlichen Unsicherheit beantwortet werden. 

Es ist wichtig zu verstehen, dass dein Hund diese neuen Verhaltensweisen nicht zeigt, um dich zu ärgern, sondern dass es sich um einen natürlichen Prozess handelt, der dazu dient, ihn bestmöglich auf sein weiteres Leben vorzubereiten.

Erzieherische Versäumnisse sollten daher nicht plötzlich mit Gewalt durchgesetzt werden. Vielmehr geht es jetzt darum, deinen Junghund durch selbstbewusstes und souveränes führen - Sicherheit und Orientierung zu geben. 


Die Geschlechtsreife  

Der Eintritt der Geschlechtsreife hängt auch von der Rasse, der Größe und den aktuellen Lebensumständen ab. In der Regel durchlaufen Hunde diesen Entwicklungsprozess zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat

Die vermehrte Ausschüttung der Hormone Testosteron und Östrogen leitet die nächste körperliche Veränderung ein. Sowohl der Rüde als auch die Hündin verlieren allmählich ihr jugendliches Aussehen und werden optisch zu erwachsenen Hunden. Der Rüde beginnt, sein Bein zu heben und die Hündin kommt in die sogenannte Läufigkeit. Achtung: Der Hund ist jetzt geschlechtsreif und kann sich fortpflanzen.

Wer aber gedacht hat, dass es in der Pubertät ausschließlich um das Erreichen der Geschlechtsreife geht, der hat sich getäuscht.

Der gesamte Regelkreis von Hormonen und Botenstoffen, die im Gehirn und Körper wichtige Aufgaben übernehmen, wird neu geordnet. Die Hormone Testosteron und Östrogen haben nicht nur mit der Fortpflanzung zu tun. 

Im Zusammenspiel mit anderen Hormonen bilden sie die Grundlage für ein soziales Miteinander.


Die Adoleszenz (Reifungsphase)


Nach dem Erreichen der Geschlechtsreife geht es nahtlos in die Phase der Adoleszenz. (sogenannte zweite Pubertät)

Der Hund ist jetzt optisch erwachsen, aber es fehlt noch ein entscheidender Punkt, die soziale Reife. 

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Hündin etwa nach der dritten Läufigkeit körperlich und geistig erwachsen

Bei Rüden wird der gleiche Zeitraum als Maß genommen. Bei den kleinen Rassen ist dies etwa ab dem Alter von zwei Jahren der Fall, bei den großen Rassen zwischen dem Alter von zwei und drei oder sogar vier Jahren.

Jetzt wird es noch einmal spannend, denn in dieser Phase entstehende Konflikte richten sich nun gezielt vom Hund an den Menschen, oder an Artgenossen. Der Hund ist damit beschäftigt, seine belebte Umwelt in Bezug auf sich selbst gezielt zu erkunden, einzuschätzen und einzuordnen. 

Grenzen werden ausgetestet und bisherige Rahmenbedingungen in Frage gestellt. Ziel des Ganzen ist es, die Stärken des Einzelnen im Vergleich zu sich selbst zu testen, um herauszufinden, welchen Platz er in seinem sozialen Gefüge einnimmt.

Diese sogenannte soziale Exploration ist ein absolut natürlicher Prozess, der sowohl zwischen pubertierenden Kindern und ihren Eltern als auch in der Beziehung zwischen Mensch und Hund normal ist. 


Wie du als Halter bestmöglich mit diesen Entwicklungsphasen umgehen kannst: 


Wenn du deinem Vierbeiner schon in der Welpenzeit verständlich erklärt hast, welche Regeln für euer zukünftiges Zusammenleben gelten, hast du bereits einen sehr guten Grundstein gelegt.

Deine Aufgaben bestehen jetzt darin, dich emotional als Mensch von deinem Hund zu trennen. Denn wie bereits erwähnt sind die gezeigten Verhaltensänderungen in der juvenilen Phase nicht direkt an dich gerichtet, sondern vielmehr den "Umbauarbeiten" im Gehirn geschuldet. 

Wenn dein Hund anfängt, sich zu präsentieren, z.B. durch Imponieren, dann dient das dazu, zu testen, wie er auf andere wirkt. In einem geschützten Rahmen, d.h. im Rahmen eurer Regeln, ist es wichtig, ihm Verständnis und die Möglichkeit zu geben, eigenverantwortlich zu handeln. So kann er entspannt lernen, welche dieser Verhaltensweisen zu welchen Reaktionen führen. 

Bleibe also bei deinen bisherigen Strukturen und fordere weiterhin konsequent die Einhaltung der bereits aufgestellten Regeln. 

In angstauslösenden Situationen ist es wichtig, dem Hund angemessene Unterstützung und gegebenenfalls Schutz zu bieten. 

Übernimm mit Begeisterung die Rolle des Erziehers und unterstütze deinen vierbeinigen Freund durch souveränes Auftreten und Handeln beim Erwachsenwerden. Das stärkt eure Beziehung und gibt ihm Sicherheit und Orientierung!


Wenn du deinem Welpen aber nach dem Einzug ein paar Dinge hast durchgehen lassen, wird es in dieser Zeit etwas anstrengender für dich.

War zum Beispiel das Zerren am Hosenbein anfangs noch niedlich, so wird dein Junghund es nun zielgerichteter, in einer anderen Intensität und deutlich beharrlicher zeigen. 

Das gilt auch für alle anderen Regeln des Zusammenlebens. Nicht selten führen viele solcher erzieherischen Versäumnisse bei uns Menschen zu Frustration und vielleicht auch zu Ärger. Verständlich, denn schließlich wollten wir dem Hund doch nur Gutes tun und lieb zu ihm sein.

Aber gerade jetzt ist es nicht gut, sich von seinem Hund in der Stimmung beeinflussen zu lassen.

Um ihm Sicherheit und Orientierung zu geben, ist es wichtig, dem Thema souverän und emotional unabhängig zu begegnen. Der plötzliche Versuch, Regeln aufzustellen und diese mit hoher emotionaler Beteiligung durchsetzen zu wollen, wird so nicht funktionieren. 

Wenn du also feststellst, dass es immer häufiger vorkommt, dass dich bestimmte Verhaltensweisen deines Hundes wütend, hilflos oder gar verunsichert machen, dann empfehle ich dir, Kontakt zu einem guten Hundetrainer aufzunehmen und mit ihm an den aktuellen Herausforderungen eurer Mensch+Hund Beziehung zu arbeiten.

An dieser Stelle sei noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass eine Kastration aus erzieherischen Gründen in den seltensten Fällen und vor allem in diesem Entwicklungsprozess nicht ratsam ist! Die Kastration sollte immer mit einem kompetenten Hundetrainer oder einem Tierarzt mit Zusatzbezeichnung Verhaltenskunde genau besprochen werden. Denn diese Entscheidungen sind irreversibel und beeinflussen das Verhalten des Hundes - meist jedoch nicht in der gewünschten Weise.

Die Erziehung kann nicht durch die Kastration ersetzt werden!


Freue dich auf diese Phasen, in denen dein Hund jede Entscheidung, die du triffst, konsequent hinterfragt. Er will einfach wissen, ob du in jeder Situation standhaft bist und bei deiner Strategie bleibst.


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